An den Dachstein
Tiefsee-tief sei der Schlaf ihm, Stein zu sein ihm ein und alles seligen Vergessens: fühllos, taub und blind jedweder Vergehbarkeit erloschen, auch der Bitte enthoben: Laßt mich gefälligst schlafen, wollet nur ja nicht in mir am End bloß Schlummerndes wecken! ruhelos unsen es nämlich gebräche an Kräften, dort, wo der Aarnoch haust als letzter der Aarnochen, in sich ruhend Natur zu ergründen: sähen Gebirge sich mühen, im Wettstreit mit Ungeheuer Ozeans zornbrandend Fluten in Wolkenhöhen hinanzuschwellen. Selig, wer es vermöchte, auf Pfaden der Genien den Berg der Berge zu bezwingen? mit Götterfurcht schlüge ihn der Blick vom Gebirge! daß ihr Wandergelicht und touristisch Gesindel vor dem Bildnis des Dachsteins zu sagen wüßtet, aufgrund welchen Gesinnungswandels Vater Äthers Atemhauch sich jäh wandle in Stein; welches Naturgesetz also zugrundeläge der Metamorphose der Gegebniskeit? oder ginget ihr Bergsteiger, die ihr euch so oft in Höheres versteigt, nie davon aus, göttlicher Vorsicht freimütig entglitten, trieben die Wolkinnen mit dem einsamen Himmel Vermischungsspiele ohngeachtet der Folgeschickung, ausbleibenden Mondes abgetrieben zu werden vor dessen Erblickung, dem Berg als miß- rathen Getöchter für immer verloren? traumhäuptig schaue man Gemensche zu den Gebirgen auf, die ach den Wolken gleichen: hellsichtig derjen mit höherer Blindheit geschlagen, dem Natur nicht wecke den Wunsch, ihre Schönheit, zugänglich dem Fernblick der Augen, dergestalt zu ergründen, daß er sie mit Füßen, sprich: Bergschuhen tritt!
Julian Schutting An den Dachstein Mit einem Nachwort von Gerhard Zeillinger Farboffsetlithographien von Helmut Swoboda Edition Thurnhof Horn . 2002
Galerie Thurnhof
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