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Der Dachstein: eine vielfältige Urlandschaft

von Dr. Harald Lobitzer

Die bedeutendsten Gebirgsstöcke des Inneren Salzkammerguts, der Dachstein, das Tote Gebirge, der Gosaukamm und der Grimming, gehören zum zentralen Teil der Nördlichen Kalkalpen, einer bis zu mehrere Zehnerkilometer breiten geologischen Einheit, die von Vorarlberg bis in den Wienerwald reicht. Das Dachsteingebiet ist mit 240 km² unterirdisch entwässerter Fläche nach dem Toten Gebirge (etwa 300 km²) der zweitgrößte Karststock des Bundesgebietes, wobei - mit Ausnahme des Gosaukamms - die oben erwähnten Gebiete zum überwiegenden Teil von sehr gut verkarstungsfähigem, meist gut gebanktem („lagunären“) wand- und plateaubildenden Dachsteinkalk aufgebaut werden, der eine Mächtigkeit bis ca. 1500 m erreichen kann. Die breite Lagune des gebankten Dachsteinkalks wird am Übergang zum offenen, tieferen Tethys-Ozean von einem Riff gesäumt. Wir kennen den Dachstein-Riffkalk mit Korallen- und Schwamm-Stotzen vom Gosaukamm. Beide Kalktypen wurden zur selben Zeit in einem warmen tropischen Meer der höheren Obertrias-Zeit, das war vor etwa 215-200 Millionen Jahren, abgelagert. Im offenen Tethys-Meer - so heißt das „Ur-Mittelmeer“ dieser geologischen Epoche - wurden zeitgleich mit dem Dachsteinkalk in tieferen und wesentlich kühleren Meeresbereichen die Zlambach-Schichten, der an Ammoniten reiche Hallstätterkalk und auch der Gosauseekalk abgelagert.

Welberühmte Fossilien

Das Innere Salzkammergut ist wegen seiner Steinsalz-Vorkommen der jüngsten Ober-Perm-Zeit (ca. 255-251 Mio. Jahre vor heute) weithin bekannt. In geologischer Hinsicht machen vor allem die zahlreichen klassischen Lokalitäten von wichtigen Gesteinen des Erdmittelalters (Mesozoikum, 251-65 Mio. J. vor heute) und der Reichtum an Fossilien dieses Gebiet weltberühmt. Gesteinsnamen, wie Dachsteinkalk, Hallstätterkalk, Gosau-Schichten und viele andere wurden im Salzkammergut geprägt und werden auch in außereuropäischen Gebirgszügen „verwendet“, wie z.B. der berühmte Hallstätterkalk auf der indonesischen Insel Timor.
Im Gebiet der Gjaidalm und von der Seilbahnstation Krippenstein entlang des Karstlehrpfads zum Heilbronnerkreuz sind das tropische Flachmeer der Obertrias, in dem der Dachsteinkalk vor etwa 210 Millionen Jahren abgelagert wurde und der reiche hochalpinen Karst-Formenschatz zu entdecken.
Ganz besonders sind in dieser Region die Wege und Wirkungen des Wassers im Kalk- und Dolomit-Karststock. Die Reise der Wässer vom Karstplateau durch das Kluft- und Höhlensystem  bis zu den (Riesen)-Karstquellen im Tal beträgt nur einige wenige Tage. Hier entstanden hochalpine Dolinen sowie Seelein, die oftmals mit kleinen Moorbildungen verknüpft sind. Die spärlichen Vorkommen von wasserstauenden Schichten sind im Plateaubereich oftmals Grundmoränen-Letten oder „Bergkreide“, manchmal auch verschwemmte Rotböden (terra fusca).
Alle großen Höhlensysteme des Dachsteingebietes finden sich im gebankten Dachsteinkalk und nicht im ungebankten, „massigen“ Riffkalk. Im massigen Dachstein-Riffkalk werden hingegen keine größeren Höhlensysteme gebildet; deshalb fehlen diese weitgehend im Gosaukamm.
Betrachtet man die bislang bekannte Verteilung der Höhlen im gesamten Dachstein-Stock, so muss man zum Schluss kommen, dass der größte Teil des unterirdischen Karstes unter dessen zentralen Plateau-Flächen noch weitgehend eine terra incognita darstellt. Aus speläologischer Sicht erscheint aber eine Verbindung des Dachsteinhöhlenparks im nördlichen Dachsteinmassiv mit dem Höhlensystem des „Dachsteinlochs“ (Dachstein-Südwandhöhle“) keineswegs als unwahrscheinlich. Derzeit trennt noch eine Forschungslücke von ca. 5 km Luftlinie die beiden Höhlensysteme im Norden von jenen im südlichen Plateaubereich. Erst vor kurzem berichtete der „Verein für Höhlenkunde in Obersteier“ über die Entdeckung der 80 m hohen „Johann-Segl-Halle“, die 1200 m unter dem Hallstätter Gletscher liegt und vielleicht mit dem Dachsteinhöhlenpark von Obertraun und Hallstatt in Verbindung steht.
Im Dachsteingebiet werden drei Höhlen-Niveaus unterschieden, die auch zu verschiedenen Zeiten entstanden sind. Das höchstgelegene Höhlensystem ist das oberflächennahe Ruinenhöhlenniveau (in unserem Gebiet z.B. die Krippenstein-Eishöhle und die Höhlenruinen am Margschierf; besonders spektakulär ist das Tiergartenloch). Man geht davon aus, dass dieses Niveau während der Bildung der Dachstein-Altfläche ab dem späten Eozän, also vor etwa 35 Mio. Jahren, angelegt wurde. Danach erfolgte die Versiegelung der Dachstein-Altfläche durch Augenstein-Sedimente. Das größte System – das Riesenhöhlenniveau – wird mit der Heraushebung der mittleren Kalkalpen im jüngeren Miozän (vor etwa 6-10 Mio. Jahren), in Verbindung gebracht. In unserem Gebiet sind diesbezüglich die Mammuthöhle und die Dachstein-Eishöhle die besten Beispiele. Das jüngste Höhlensystem, das Quellhöhlenniveau, ist zugleich das topographisch am tiefsten gelegene; es soll im Pliozän (vor ca. 5-1,8 Mio. J.) und im Quartär (von 1,8 Mio. J. bis heute) gebildet worden sein. Im Dachsteingebiet sind dafür vor allem die Riesenkarstquellen, wie z. B. die Koppenbrüllerhöhle, der Hirschbrunn, der Kessel oder der Waldbach-Ursprung gute Beispiele. Der Waldbachursprung ist noch auf ein Vorfluter-Niveau der Vergangenheit ausgerichtet, wie wir es wohl im Spätglazial antrafen.

Der hochalpine Karst im Krippenstein-Gebiet

Die Karstlandschaft des Welterbegebietes stellt ein Musterbeispiel des hochalpinen Plateaukarstes dar. Steile Wände umschließen eine glazial intensiv überprägte „Altfläche“ – den Rest einer ehemals ausgedehnten, zusammenhängenden, eher flachen Landschaft aus dem Alttertiär (Eozän, ca. 56-34 Mio. Jahre vor heute), die heute einen nahezu erstarrten Eindruck macht. Diese scheinbare „Erstarrung“ des Landschafts-Formungsprozesses ist einerseits durch den Rückgang der früher die Landschaft gestaltenden Gletscher auf eher spärliche und vom Verschwinden bedrohte Reste, andererseits durch das völlige Fehlen einer oberirdischen Entwässerung auf dem Karstplateau und die Abkoppelung von der derzeitigen Landschafts-Entwicklung in den Talbereichen bedingt. Längst ist der oberirdische Abfluss dem unterirdischen gewichen und auch diesen findet man größtenteils erst tief unten im Gebirgsmassiv bzw. in den talnahen Quellen, fast 1500 Meter unter dem Karstplateau.

Die Karrst-Entstehung

Die Landschaftsformung geht aber natürlich auch auf der Dachstein-Hochfläche beständig weiter, wobei dabei den Kalklösungs-Vorgängen, vor allem durch aggressive Wässer eine wesentliche Rolle zukommt. Jedem Wanderer, der im hochalpinen Kalkstein-Karst des Dachstein- oder Toten-Gebirgs-Plateaus unterwegs ist, ist die Vielfalt der oftmals messerscharfen Karren-Formen vertraut, wobei die Kalklösung aber auch die ebenen Gesteinsflächen betrifft. Dieser flächenhafte „Lösungsabtrag“ beträgt rund 10 mm in 1000 Jahren, kein spektakulärer, aber ein beständiger Abtrag. In den „Hohlformen“, wie den Karren, können die Niederschlagswässer infolge der längeren Verweildauer und der kalklösenden Wirkung von Kohlendioxid und Huminsäuren zu aggressiven Wässern werden und so um ein vielfaches höhere Werte der Kalklösungs-Abträge erreichen. Die Entstehung der oftmals bizarren Karrenformen, die die eiszeitlich polierten Kalkflächen zerfurchen, ist nicht immer leicht erklärbar, wie z.B. die Trittkarren oder die Firstrillen. Dominant sind diverse Ausbildungen der Rinnenkarren, aber auch Rillenkarren. Im hochalpinen „nackten“ Karst“ dominieren scharfe Formen, während für den „bedeckten Karst“ der tieferen Höhenlagen runde Karren typisch sind. Wichtig ist es auch zu erwähnen, dass die Höhlenbildung nicht selten von den Oberflächenkarren ihren Ausgang nimmt!

Beginn der Verkarstung

Wann begann nun die Verkarstung der Kalksteine? Diese Frage ist insofern leicht zu beantworten, als die Verkarstung - man könnte auch selektive Kalkstein-Verwitterung dazu sagen - unmittelbar nach dem Auftauchen der Kalkstein-Flächen aus dem Meer beginnt. So weist etwa der Dachsteinkalk des Dachstein-Plateaus und des Toten Gebirges unregelmäßige Paläokarst-Hohlräume oder Spalten auf, die bereits zur Zeit seines periodischen Trockenfallens in der höheren Ober-Trias immer wieder mit eingeschwemmten bunten Sedimenten gefüllt wurden. Diese „roten Scherben“ sind scharf umgrenzte, oftmals verschiedenfarbige, karminrote und ockergelbe, gestreifte siltige (feinstsandige) Hohlraumfüllungen oder schichtgebundene Lagen im gebankten Dachsteinkalk. Diese „roten Scherben“ stellen wohl überwiegend von Inseln her eingeschwemmte, aber auch teilweise vom Wind verblasene tropische Verwitterungs-Böden dar. Auch in der frühen Jurazeit, dem Lias, wurden wannenförmige Mulden und tektonisch aufgerissene Spalten im Dachsteinkalk von roten Kalken eines etwas tieferen Meeres ausgefüllt und zwar entweder mit Hierlatzkalk (mit Seelilien-Stielgliedern, sogenannten Crinoiden) oder dem Ammoniten-führenden Adneterkalk. Es wurde also vor rund 195 Mio. Jahren wiederum das bereits bestehende Paläokarst-Relief im Dachsteinkalk von jüngerem Gesteinsschlamm ausgefüllt.

Der gebankte Kalk

Dem aufmerksamen Beobachter fallen in den Dachsteinkalk-Gebieten des Inneren Salzkammerguts, wie z.B. im Echerntal, oder am  Dachstein und im Toten Gebirge die verschieden dick gebankten Dachsteinkalk-Bänke auf. Der gebankte Dachsteinkalk wurde zum überwiegenden Teil in einem ruhigen, seichten und warmen tropischen Meer abgelagert. Über dem Gezeitenbereich lebten im „Spritzwasser“-Bereich Blaugrünalgen-Matten, sogenannte Stromatolithe, die wir im Bereich der Krippenstein-Eishöhle studieren können. Diese Algenmatten sind in Form von weißen, dolomitischen Bänken dem gebankten Dachsteinkalk zwischengeschaltet. Wie entsteht nun die Bankung? Eine Grundvoraussetzung für die Anreicherung so riesiger Kalkstein-Mächtigkeiten ist eine stete, gleichmäßige Absenkung des Ablagerungsraumes. Ursprünglich wurde in der Dachsteinkalk-Lagune ein weicher, wassergesättigter Kalkschlamm und Kalksand abgelagert, wobei bei einer gewissen Mächtigkeit durch den entstehenden Auflastdruck aus den tieferen Bereichen dieses Lockersediment/Wasser-Gemisches ein Großteil des Porenwassers herausgedrückt wird und sich so das Sediment verfestigen kann. Diese Prozedur kann sich hunderte Male wiederholen.  
Auf den Schichtflächen des gebankten Dachsteinkalks sind nicht selten seine Charakterfossilien, die Querschnitte von Megalodonten, der sogenannten „Dachsteinmuschel“, die im Volksmund aufgrund ihrer häufig anzutreffenden herzförmigen Querschnitte auch „Kuhtritt-Muscheln“ genannt werden, zu beobachten. Die Kuhtritt-Muscheln lebten immer in größeren Kolonien im Kalkschlamm der seichten Dachsteinkalk-Lagune. Das am besten bekannte massenhafte Vorkommen von Megalodonten in den Nördlichen Kalkalpen ist wohl der berühmte „Gosauer Fischzug“ am Linzerweg westlich des Kleinen Gosau-Gletschers. Dort zeigen sich jedoch – wohl infolge „ungünstiger“ Schnittlage – keine herzförmigen „Kuhtritte“. Ein hervorragendes Vorkommen von „Kuhtritten“ ist am Beginn des Krippenstein-Karstlehrpfads zu finden.

Die „Augenstein-Landschaft“

Bevor die Nördlichen Kalkalpen im Jungtertiär (Miozän, 23-5 Mio. Jahre vor heute) allmählich zum Hochgebirge herausgehoben wurden, waren die großen Kalkstöcke des Dachsteins und östlich davon bis zur Rax von den Schottermassen der Augensteinlandschaft bedeckt. Ausgedehnte hochalpine Karstplateaus treten in den Nördlichen Kalkalpen nur im zentralen und östlichen Anteil auf, während im Westen, wie etwa in Tirol, schroffe Formen dominieren. Die „Dachstein-Altfläche“ bildete sich im späten Eozän und frühen Oligozän (vor ca. 35-33 Mio. Jahren) als verkarstetes Hügelland und ist auch jetzt noch – nach nur relativ geringer Umgestaltung – in Form unserer Karst-Hochplateaus (z.B. Dachstein und Totes Gebirge) erhalten. Im Oligozän bis ins frühe Untermiozän (vor ca. 33-22 Mio. J.) erfuhr die Dachstein-Altfläche eine Absenkung und wurde von einer mächtigen und lang andauernden Schüttung von Schottern und Sanden, der sogenannten „Augenstein-Formation“,  zugedeckt. Diese Schüttungen von Schotter, Kies und Sand erfolgten aus den südlich anschließenden Kristallin-Gebieten durch Flüsse und plombierten die Altfläche. Sie bildeten die „Augenstein-Landschaft“, die heute nur noch in spärlichen Resten in Form von Quarzgeröllen, Bohnerzen sowie umgelagerten Rotböden, in vor der Abtragung geschützten Bereichen der Hochfläche und gelegentlich in den Höhlen erhalten sind. Nach den Studien einer Arbeitsgruppe der Universität Tübingen um den in St. Gilgen ansässigen Prof. Wolfgang Frisch, soll die Mächtigkeit der Augenstein-Sedimente im Dachstein-Gebiet mindestens 1,3 km betragen haben! Die Augenstein-Sedimentation endete vermutlich im frühen Miozän, vor etwa 22 Mio. Jahren, wofür wohl eine Relieferniedrigung im Liefergebiet der Augenstein-Sedimente verantwortlich war, die auch eine Veränderung des Entwässerungssystems zur Folge hatte. Auf den Altflächen wurden die losen Sedimente der Augenstein-Landschaft abgetragen und ins nördlich an die Nördlichen Kalkalpen anschließende Molasse-Vorland umgelagert. Sie bilden dort nun ausgezeichnete Grundwasser- und Erdöl-Speichergesteine und dienen auch der Sand- und Kies-Gewinnung für die Baustoff-Industrie. Ab dem Pannon (vor ca. 10 Mio. J.) wurden die Altflächen unserer Karstplateaus in mehreren Schüben gehoben. Die Augenstein-Sedimente wurden zu einem geringen Teil auch über Störungen in die ausgedehnten Höhlensysteme verschwemmt, die somit als wertvolle Archive einer längst vergangenen Paläo-Landschaft fungieren. Am Dachstein-Plateau selbst finden sich noch zahlreiche Kleinvorkommen von Augensteinen, die von Erbsengröße bis zu über 1 dm messen können. Die Augensteine obliegen dem Naturschutz und sollten daher an Ort und Stelle belassen werden!

Der Karstwasser-Haushalt des Dachsteins

Das Dachstein-Massiv ist eines der größten Kalkkarst-Plateaus Österreichs und dient seit den 50er Jahren des 20. Jh. kontinuierlich als Modellobjekt für hydro(geo)logische Studien. Die Hauptmasse des Plateaus besteht aus sanft nach Norden geneigtem, gebanktem Dachsteinkalk. Im Bereich des Dachstein-Südabfalls ist im Liegenden des Dachsteinkalks ein mächtiger Dolomitstock aufgeschlossen, der ein gänzlich unterschiedliches hydro(geo)logisches Verhalten als der Dachsteinkalk zeigt. Der Dachsteinkalk des Dachsteins stellt den Prototyp eines Kluft- und Karstwasser-Speichers dar, mit unterschiedlich ausgeprägten komplexen Höhlen- und Kluftsystemen. Der Dolomit des Dachstein-Südrands fungiert hingegen als Porenwasser-Speicher, wenngleich auch die Klüftigkeit im Dolomit eine bedeutende Rolle spielen kann. Selbstverständlich haben diese gesteinsbedingten hydrologischen Verhältnisse einen unmittelbaren Einfluss auf die Wassergüte der aus ihnen kommenden Quellen. Etwas vereinfacht kann man sagen, dass die Wässer des Kalkkarsts infolge dessen exzellenter Wasserwegsamkeit kaum gefiltert werden und so leicht kontaminiert werden können, während die Wässer in den porösen Dolomitgesteinen des Dachstein-Südrandes eine wesentlich geringere Fäkalkeim-Belastung aufweisen.

Der Dachstein - Das größte Naturschutzgebiet Oberösterreichs

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